Von Heuschrecken und Schmelzkäse

Ein gebrochener Fuss und seine Folgen

Von Sylvia D.

Nun sitze ich schon seit November zuhause und darf mein linkes Bein wegen einem Fersenbruch nicht mit Gewicht belasten. Ich bekam einen „ROM“-Stiefel und zwei Gehhilfen. Es hat ja ein normaler Menschen manchmal schon genug damit zu tun, auf zwei gesunden Beinen unterwegs zu sein und bei den ersten Gehversuchen kam ich mir vor wie eine Heuschrecke, welche die Orientierung verloren hatte.

Gut das meine Wohnung recht praktisch angeordnet ist und ich somit keine langen Wege und keine Treppen in der Wohnung habe.
Die ersten Tage waren auch relativ in Ordnung für mich, da der Kühlschrank und die Gefriertruhe noch gut gefüllt waren. Die Wohnung war sauber geputzt, und ich konnte mich erst mal zurücklehnen und die Ruhe genießen.

Endlich ausschlafen, viele Bücher lesen und Fernseh schauen – na ja, was das HartzIV-Fernsehen am Morgen und Vormittag halt so hergibt. Telefonkontakt zu Freunden wieder aufnehmen, von denen man sonst nicht mehr viel gehört hatte, sowie sich Freunde zum Nachmittagskaffee oder zum Abendessen einladen.

Ja, Freunde einladen. Sonst bin ich immer die perfekte Gastgeberin und jetzt begrüße ich sie an der Türe auf zwei Krücken hängend, um sie dann humpelnd zum Kaffeetisch zu begleiten.
Dort angekommen setze ich mich an den Tisch und dirigiere den jeweiligen Besuch mit Kommandos zu den Kaffeetassen und Tellern. Erkläre aus der Ferne, wie sie die Senseo-Maschine bedienen müssen, damit der Kaffee auch in den Tassen landet und es keine dünne Brühe gibt. Am Ende der Kaffeezeit darf dann der eingeladene Besuch auch noch alles abspülen und wieder einräumen.
Mit Gästen zum Abendessen gestaltet sich solch eine Einladung etwas einfacher: Pizza in den Ofen schieben oder dem Besuch sagen, dass er Döner von unterwegs mitbringen soll, und anschließend einen schönen Film auf DVD schauen. Ein weiterer Abend ist zu Ende.

Anfänglich ging ich von etwa acht Wochen Krankenstand aus. Also genau richtig, um über den Winter und seine Tücken zu kommen. Ich genoss es, dass ich nicht mit meinem Auto auf den glatten Straßen fahren musste. Ein Blick aus dem Fenster bei dem vielen Schnee, den immer weniger werdenden Parkplätzen samt höheren Schneebergen, ließen mich meine eingeschränkte Beweglichkeit vergessen.

Ein Friseurbesuch im Dezember wurde für mich dann zum wahren Marathon. Ich wohne im ersten Stock und war seit vier Wochen das erste Mal auf den Treppen unterwegs, denn bisher vermied ich es ja hinaus zu gehen.
Stufe für Stufe begab ich mich nach unten und dort angekommen, schnaufte ich wie eine Dampfwalze, um dann festzustellen: verdammt, ich hab keine Jacke dabei! Noch einmal nach oben, das kam ja gar nicht in die Tüte, das würde Jahre dauern und mein Taxi stand ja schon vor der Türe. Man beschränkt sich eben auf das Nötigste und fühlt sich wie in eine andere Welt versetzt.

Inzwischen waren meine Vorräte aus Kühlschrank und Gefrierfächern aufgebraucht. Mein Sohn musste also zum Einkaufen geschickt werden und eine Liste mit den nötigen Dingen ist schnell aufgeschrieben: Brot, Käse, Wurst, Butter, Nudeln, Fleisch, Gemüse und Obst.
Für mich eine ganz normale Einkaufsliste, für meinen Sohn eine Herausforderung.

Er rief mich aus dem Einkaufsladen an: „Mama, was für einen Käse möchtest du denn haben? Hier gibt es Halbfettkäse, „du-darfst“-Käse, Edamer, Tilsitter, Camenbert …“
Kurze Zeit später: „Mama, welche Butter? Aus der Region, Kerry Gold, Landliebe oder doch lieber eine Margarine?“
Meine Antwort: „Du weißt doch, was wir sonst so im Kühlschrank haben. Bring halt mit, worauf du Appetit hast und wovon du weißt, dass ich es auch mag.“

Ganz grober Fehler meinerseits!

Was soll ich sagen. Es endete in Tiefkühlpizza, abgepacktem, schon in Scheiben geschnittenem Brot, Margarine und Schmelzkäse. Weder Fleisch noch Gemüse oder Obst brachte er mit.

Seit ich mit diesem Fersenbruch rumsitze bin ich mir bewusst geworden, wie groß die Auswahl an Lebensmitteln und auch anderen Artikeln für den täglichen Bedarf geworden ist.
Verzweifelt wälze ich seitdem jedes Wochenende die Angebotsblätter und schreibe detailliert auf, was ich haben will und was es kosten darf.