Frieda

Eines Morgens, als ich schlaftrunken in die Küche wankte und mir meinen allmorgendlichen Kaffee zubereiten wollte, sah ich sie: Frieda. Sie hing unter einem großen Blatt einer Orchidee am Küchenfenster und versuchte, unauffällig auszusehen. Einem ersten Impuls folgend, wollte ich ihr den Weg nach draußen zeigen, entschied mich aber ob der frühen Morgenstunde und meines unausgeschlafenen Allgemeinzustandes anders. Frieda und ich trafen eine Übereinkunft: Sie verhält sich ruhig und spinnt nicht rum, und ich überlasse ihr das Orchideenblatt zu Wohnzwecken, dafür sorgt sie für eine fliegenfreie Küche.
Das ging einige Wochen so. Wir begrüßten uns kurz, wenn ich morgens in die Küche schlurfte und sie sich gerade nach ihrer anstrengenden Nachtschicht unter ihr Orchideenblatt klemmte. Eines Tages entdeckte ich unter einem Blatt des benachbarten fettblättrigen Gewächses Brunhilde. Brunhilde war ein wenig kleiner als Frieda, aber genauso friedlich. Ich ließ mich also breitschlagen, sie ebenfalls in Untermiete aufzunehmen, aufgrund meiner positiven Erfahrungen mit Frieda.
Eine Woche später fand ich Bernadette – um einiges kleiner als Frieda und Brunhilde und offensichtlich von den beiden adoptiert. Ich erinnerte Frieda eindringlich an ihre Erziehungsaufgaben, da sich Bernadette etwas weiter in die Küche gewagt und Quartier in der Nähe des Eierkochers bezogen hatte. Gut für uns beide, dass ich den Eierkocher derzeit nicht benutzte.
Einige Tage später war Brunhilde mit Bernadette ausgezogen – hat wohl in der Beziehung doch nicht so geklappt, wie die drei sich das vorgestellt hatten. Seit ein paar Tagen ist auch Frieda weg, ohne fristgerechte Kündigung ihres Arbeits- und Mietvertrages.
Mist – jetzt muss ich meine Fliegen wieder selber fangen.