Zustellung Glückssache? Hermes in action

Ganz oben, in einer windstillen Ecke des griechischen Olymps, saß Hermes, der Götterbote, und weinte bitterlich. Apoll hörte ihn schluchzen und erkundigte sich besorgt nach dem Grund.
„Sieh dir an, was sie in meinem Namen auf der Erde machen!“, schniefte Hermes. „Mein guter Ruf steht auf dem Spiel!“
Gemeinsam schauten sie hinab zur Erde. Und was sie dort sahen, ließ ihnen die göttlichen Haare zu Berge stehen…

Wir schreiben das Jahr 2020. Ich befinde mich in einer Großstadt im Südwesten Deutschlands und habe über eine bekannte Auktionsplattform einen Artikel verkauft. Die Kundin zahlt schnell und ich verschicke das Paket am nächsten Tag in eine Großstadt im Ruhrgebiet. Dazu nehme ich einen Fußweg von insgesamt einer Stunde in Kauf – der nächstgelegene Hermes-Shop.
Vier Tage später – es ist Samstag, und ich lebe unbeschwert in der Überzeugung, dass das Paket zeitnah bei der Kundin ankommt – klingelt der Hermes-Bote bei mir und versucht, mir mein eigenes Paket zuzustellen. Ich glaube an einen Irrläufer und mache dem Boten klar, dass ich der Absender bin, nicht der Empfänger. Er nimmt es murrend wieder mit.
Montags klingelt Hermes abermals bei mir – diesmal ein anderer Bote, leider ebenfalls mit mangelhaften Deutschkenntnissen. Dieser ist allerdings nach einigen Diskussionen immerhin in der Lage, mir unmissverständlich mitzuteilen, dass es ihm wurscht ist, ob ich das Paket annehme oder nicht – von ihm aus könne die Sendung auch ein Jahr lang im Lager liegen bleiben. Und da lande sie jetzt, wenn ich sie nicht annehme. Notgedrungen nehme ich also das Paket in Empfang, da die bestellte und längst bezahlte Ware ja irgendwie den Weg zum rechtmäßigen Empfänger finden muss.
Auf dem Paket befindet sich ein Aufkleber mit dem Hinweis „Annahme verweigert“. Seltsam – das angebliche Verweigerungsdatum lautet auf den Tag nach der Abgabe im Paketshop. Eigentlich rein logistisch nicht möglich. Trotzdem frage ich bei der Kundin nach – sie hat das Paket nie gesehen.
Ein Anruf bei der kostenpflichten (!) Hermes-Hotline ergibt, dass es bei dem Paket „zu einem nachträglichen EDV-Fehler gekommen“ sei und das Paket tatsächlich nie zugestellt wurde. Ich solle an eine Email-Adresse schreiben und eine Gutschrift verlangen, damit ich das Paket nochmals abschicken könne.
Gesagt – getan. Fehler können passieren, wobei ich nicht nachvollziehen kann, warum das nicht so kommuniziert, sondern der Fehler auf den Empfänger geschoben wird. Ich schreibe also sofort an die genannte Adresse und schildere den Fall, ebenso die Dringlichkeit der Sendung, und informiere gleichzeitig die Kundin. Nach kurzer Zeit bekomme ich eine Bestätigungsmail von Hermes (no reply), dass „mein Anliegen so schnell wie möglich bearbeitet“ wird.
Nach zwei Tagen, in denen sich nichts mehr tut, laufe ich abermals in den Paketshop und bringe mein Anliegen dort vor. Die Angestellte des Shops ist sehr bemüht und versucht ihrerseits auf der internen Nummer jemanden zu erreichen – Fehlanzeige. Sie ruft mich aber im Laufe des Tages an und bittet mich um meine Adresse, damit mir ein Gutschein per Post zugestellt werden kann.
Immerhin – eine geschlagene Woche später halte ich den Gutschein in den Händen. Am nächsten Tag trabe ich wieder zum Hermes-Shop und gebe das Paket erneut auf. Das ist dann der dritte 6-km-Marsch wegen ein und desselben Pakets…
Ratet mal, was mir gestern wieder zugestellt wurde? Wieder mit dem Aufkleber „Annahme verweigert“? Der Paketbote zuckt mit den Schultern, drückt mir die Sendung in die Hand und meint, das sei nicht sein Problem. Und wieder hat die Kundin das Paket nie gesehen…
Der Karton ist inzwischen viermal rauf und runter durch Deutschland gelaufen und sieht auch nicht mehr wirklich gut aus. Die Kundin ist verständlicherweise sauer.
Ich auch.