Wer hat an der Uhr gedreht …

Seit 30 Jahren werde ich jedes Frühjahr regelmäßig bestohlen… man stiehlt mir eine ganze Stunde, das heißt 60 Minuten bzw. 3.600 Sekunden, und das völlig legal. Auf welcher Grundlage eigentlich? Ich habe mein Einverständnis dazu nicht gegeben, und die Tatsache, dass ich sie sieben Monate später wiederkriege, ringt mir auch nur ein müdes Lächeln ab.

Dann ist das ja eigentlich – genau genommen – gar kein Diebstahl, sondern eine Ausleihung? Ein Kredit, den ich der Regierung gewähre. Zinslos, versteht sich. Seh’ ich gar nicht ein. Mich hat schließlich keiner gefragt, ob ich von meiner Zeit etwas abgeben möchte – man hat sich einfach bedient. Klingt nach „geduldeter Überziehung“, wenn ich es mal als Dispo-Kredit betrachten möchte. Da verlangt die Bank aber ganz schön Zinsen: 16,75% sind das jetzt, habe ich mir sagen lassen.

Rechnen wir doch mal durch: 3600 Sekunden x 16,75% x 183/365 Tage (Ende März bis Ende September) von 1980 bis 1995 = 16 Jahre + 3600 Sekunden x 16,75% x 214/365 Tage (Ende März bis Ende Oktober) von 1996 bis 2010 = 15 Jahre ergeben 10.140 Sekunden oder 2,8 Stunden, die mir bis heute zustehen. Wenn ich so weiterspare, kann ich meinen 70. Geburtstag glatt einen Tag später feiern! Von Zinseszinsrechnung wollen wir gar nicht reden…

Oder schieß’ ich mir da wegen der Rente selbst ins Knie? Ich sollte diese Berechnung vielleicht mal nach Berlin schicken, die suchen doch dort immer Möglichkeiten, den Beginn der Rentenzahlungen kreativ zu verzögern. Multipliziert mit 82 Millionen Einwohnern lassen sich bestimmt ein paar Tausend Rentner einsparen, die rechnerisch noch gar nicht geboren worden sind und damit keinen Anspruch auf Rente haben.

Wer weiß, vielleicht gibt’s ja ‚ne Prämie – die gesparte Zeit auf der Sonnenbank abbraten oder so. Hauptsache, sie kommen nicht auf die Idee, das Modell konsequent durchzuziehen und eine „Hochsommerzeit“ einzuführen – die gab’s nämlich auch schon mal, 1947 bis 1949 von Mitte Mai bis Ende Juni, da wurde noch mal eine Schippe draufgelegt mit 2 Stunden Unterschied! Von daher können wir ja eigentlich recht zufrieden sein. Wäre aber sicher mal interessant, auszurechnen, welche Summen zusammen kommen, wenn wir das Modell seit erstmaliger Einführung der Sommerzeit 1916 durchkalkulieren. Und wann greift hier die Verjährung?

Eigentlich will ich gar keine Prämie, und die Sonnenbank kann mir auch gestohlen bleiben. Ich will meinen Zeitrhythmus, und ich will nicht jedes Mal 2 Wochen mies gelaunt und hundemüde in der Gegend rumwatscheln, bloß weil meine innere Uhr anders tickt! Möchte wissen, wer sich diesen Blödsinn ausgedacht hat. Sollte mit seinen Schlafstörungen mal zum Arzt gehen…